Die Therapie mit 177Lu-PSMAI&T ist ein Therapieverfahren für Patient:innen mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom, welche als individueller Heilversuch in bestimmten Situationen durchgeführt werden kann. Üblicherweise können Patient:innen therapiert werden, die unter der Standardchemotherapie, z.B. mit Docetaxel oder Cabazitaxel progredient sind, oder bei denen sie aus medizinischen Gründen nicht angewandt werden kann. Eine ausschließlich ossäre Metastasierung sollte nicht vorliegen, da in solchen Situationen eine Therapie mit Xofigo® indiziert ist.
Grundlage ist die starke Expression des PSMA-Eiweiß auf der Zelloberfläche von Prostatakarzinomzellen. Dieses PSMA-Eiweiß kann mit einer Substanz, die mit einem radioaktiven Strahler mit sehr kurzer Reichweite (ca. 0,3mm) markiert ist, dem 177Lu-PSMAI&T, angegriffen werden. 177Lu-PSMAI&T bindet somit an die Tumorzellen und führt damit zu einer hohen Strahlendosis in allen Tumorherden. Laut veröffentlichten Studien ist bei über der Hälfte aller Patient:innen mit einem Therapieansprechen zu rechnen.
Relevante Nebenwirkungen betreffen vor allem die Speicheldrüsen – es kann eine permanente Mundtrockenheit auftreten – und die Blutbildung – es kann zu einer Anämie oder einem Abfall der weißen Blutkörperchen oder Blutplättchen kommen. Auch eine Schädigung der Nierenfunktion kann auftreten. In den bislang veröffentlichten Studien wurden klinisch relevante Nebenwirkungen jedoch nicht beobachtet.
Therapieablauf
Vor der Therapie wird mittels eines 68Ga-PSMAHBED PET der positive Rezeptorstatus aller Tumormanifestationen nachgewiesen. Am Aufnahmetag erfolgen eine Nierenszintigraphie zum Ausschluss einer Nierenfunktionsstörung und eine Speicheldrüsenszintigrapie. Über eine Blutentnahme werden relevante Werte (vor allem Nierenwerte, Leberwerte, Entzündungswerte, Blutbild) überprüft. Die Therapie mit 177Lu-PSMAI&T wird ausschließlich stationär durchgeführt. Üblicherweise werden 3 Therapiezyklen im Abstand von 4 Wochen durchgeführt. Im Rahmen der ersten Therapie ist ein 7-tägiger Aufenthalt notwendig, da täglich Aufnahmen durchgeführt werden, um die genaue Strahlenbelastung der Speicheldrüsen und der Nieren zu bestimmen. Dies ist notwendig, um die Therapie auf die Bedürfnisse der einzelnen Patient:innen anzupassen. In den darauffolgenden Therapiezyklen verkürzt sich der Aufenthalt, da nur noch weniger Aufnahmen angefertigt werden müssen.
Neuroendokrine Tumoren (NET) sind seltene Tumore, die prinzipiell im gesamten Körper entstehen können. Am häufigsten entspringen sie jedoch der Bauchspeicheldrüse oder dem Dünndarm. Teilweise bilden NET Hormone, die Symptome wie starke Durchfälle oder anfallsartiges Schwitzen auslösen können. Meist verursachen sie jedoch keine spezifischen Beschwerden. Häufig sind NET zum Zeitpunkt ihrer Diagnose daher bereits metastasiert, das heißt sie haben Absiedelungen gebildet, oder es entstehen nach einer operativen Entfernung des Primärtumors nach einiger Zeit Metastasen. Dadurch sind NET in diesem Stadium häufig nicht mehr vollständig operativ entfernbar und nach aktuellem Stand der Forschung nicht mehr heilbar. Eine Besonderheit der NET ist ihre Vielfältigkeit. Je nach Ursprungsort des NET und der Wachstumsgeschwindigkeit (diese wird in der Regel mit Hilfe des sogenannten Ki-67 bestimmt) unterscheidet sich sowohl die Prognose als auch die Therapie erheblich.
Eine Besonderheit der NET ist die sehr starke Expression sogenannter Somatostatinrezeptoren. Diese Rezeptoren sind therapeutisch von hoher Bedeutung, da es Medikamente (Sandostatin und Somatuline) gibt, die an ihn binden und sowohl die Ausschüttung von Hormonen hemmt (und somit die Symptomatik verbessern kann), als auch das Wachstum zu hemmen vermag. Um die Wirkung dieser Medikamente zu verstärken, lag es nahe, diese Medikamente abzuwandeln (DOTATATE) und mit einem radioaktiven Strahler (Lutetium-177) zu markieren. 177Lu-DOTATATE wird in die Blutbahn appliziert und findet selbstständig seinen Weg zum NET. Da die Somatostatinrezeptoren von NET sehr stark exprimiert werden, an gesundem Gewebe jedoch deutlich geringer, kommt es zu einer zielgerichteten Bestrahlung aller Absiedelungen des NET bei weitgehender Schonung des gesunden Gewebes.
Voraussetzung für die Therapie mit 177Lu-DOTATATE
Als erstes muss sichergestellt sein, dass der NET nicht mehr operativ geheilt werden kann und Somatostatinrezeptoren exprimiert. Dies wird in der Regel durch eine sogenannte PET/CT mit 68Ga-DOTANOC nachgewiesen. Des Weiteren muss eine ausreichend gute Nierenfunktion vorliegen und die Blutbildung darf nicht wesentlich eingeschränkt sein. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, wird der jeweilige Fall in dem interdisziplinären Tumorboard mit Beteiligung aller auf NET spezialisierter Ärzt:innen diskutiert, um die bestmögliche Behandlung für den individuellen Fall festzulegen. Wenn laut diesem Beschluss eine Therapie mit 177Lu-DOTATATE die optimale Therapie ist, werden in einem persönlichen Gespräch das weitere Vorgehen, die Vorbereitung auf die Therapie und der Termin zur stationären Aufnahme festgelegt.
Durchführung der Therapie
Die Therapie wird immer stationär durchgeführt. Da es unter der Therapie resultierend aus der Strahlenbelastung der Nieren selten zu einer Schädigung der Nieren kommen kann, werden während der ersten Therapie für 7 Tage fortlaufend Aufnahmen der Verteilung von 177Lu-DOTATATE im Körper, sogenannte Szintigraphien, durchgeführt, um für jede:n Patient:in individuell die Strahlenbelastung der gesunden Organe festzustellen und die Therapie ggf. anpassen zu können. Daher ist für die erste Therapie ein Aufenthalt von 8 Tagen notwendig. Für die weiteren Therapiezyklen (in der Regel werden insgesamt 4 Therapiezyklen im Abstand von 3 Monaten durchgeführt), sind stationäre Aufenthalte von 3 Tagen notwendig. Abhängig von dem vorliegenden NET wird der Therapieerfolg mittels 68Ga-DOTANOC PET/CT entweder zwischen 2. und 3. Zyklus oder ca. 6–12 Wochen nach dem 4. Zyklus überprüft.
Nebenwirkungen
Es können unspezifische Nebenwirkungen wie Müdigkeit auftreten. Möglich ist auch eine kurzzeitige Verstärkung Hormonbedingter Symptome wie Durchfälle oder Flush. Am Tag der Therapie und am Folgetag ist Übelkeit und Erbrechen möglich. Außerdem sind mittelfristig Blutbildveränderungen mit Reduktion der Zahl der roten Blutkörperchen (Erythrozyten), der Blutplättchen (Thrombozyten) und der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) möglich, regelmäßige Blutbildkontrollen nach Therapie werden daher empfohlen. In seltenen Fällen (ca. 2–5%) kann es zu einer dauerhaften Einschränkung der Nierenfunktion kommen.
SIRT steht für selektive interne Radio-Therapie, auch Radioembolisation genannt. Bei der SIRT handelt es sich um eine relativ neuartige Behandlung bösartiger Lebertumoren primären (d.h. vom Lebergebe ausgehend) oder sekundären (d.h. von leberfremdem Gewebe ausgehend = Lebermetastasen) Ursprungs. Die Behandlung mit SIRT kommt üblicherweise nur in Frage, wenn die Lebertumoren die Haupttumorlast darstellen und nicht für eine operative Entfernung geeignet sind bzw. systematische Behandlungen wie z.B. Chemotherapien ohne anhaltenden Erfolg durchgeführt wurden. In Frage kommen prinzipiell alle Lebertumoren, wobei die größte Erfahrung mit HCC, CCC, sowie Lebermetastasen von kolorektalen Karzinomen, Mammakarzinomen, neuroendokrinen Tumoren und (Aderhaut-) Melanomen besteht.
Das Prinzip der SIRT beruht auf der starken arteriellen Durchblutung der meisten bösartigen Tumore, während das gesunde Lebergewebe hauptsächlich von der Pfortader versorgt wird. Im Rahmen der SIRT werden über einen Gefäßkatheter, der von der Leiste her in die Leberarterie eingeführt wird, Millionen von kleinen Partikeln, die mit dem radioaktiven Strahler Yttrium-90 markiert sind, in die Leberarterie eingebracht. Über die hohe arterielle Blutversorgung der Lebertumoren erreicht man in diesen eine wesentlich höhere Konzentration als im gesunden Lebergewebe. Die radioaktiv markierten Partikel bleiben in den kleinen Blutgefäßen der Lebertumoren stecken und verbleiben dort. Dadurch sind sehr hohe Strahlendosen möglich, durch die die Lebertumoren möglichst selektiv bekämpft werden.
Um eine Bestrahlung anderer Organe des Körpers zu vermeiden, wird durch Voruntersuchungen die zu erwartende Verteilung der Partikel untersucht. Um einen Abstrom in die Lunge auszuschließen, erfolgt ca. 1–3 Wochen vor der eigentlichen Behandlung eine Probe-Angiographie, bei der ein sehr schwacher radioaktiver Strahler (Technetium-99m-Makroalbumin, Gammastrahler) in die Leberarterie injiziert und nachfolgend die Verteilung gemessen wird. Sollte sich ein zu hoher Abfluss des Strahlers in die Lunge zeigen, kann die Behandlung unter Umständen nicht oder nur mit reduzierter Dosis durchgeführt werden, da dies eine strahlenbedingte Lungenentzündung hervorrufen kann. Darüber hinaus wird im Rahmen dieses Probelaufes auch ein Abstrom der Partikel in andere Organe des Oberbauches wie den Magen oder den Zwölffingerdarm untersucht. Ist dies der Fall, kann es notwendig sein über den Katheter kleine von der Leberarterie abzweigende Gefäßäste zu verschließen, um strahleninduzierte Entzündungen in diesen Organen zu vermeiden.
Voraussetzungen für eine SIRT sind:
- Eine gute Leberfunktion, d.h. ein Bilirubin von bis höchstens 1,8 mg/dl und ein normwertiges Albumin (>35 g/l)
- Eine regelrechte Blutgerinnung
- Kein Aszites
Nebenwirkungen
Meist wird die Behandlung gut vertragen. Bei einigen Patient:innen treten allerdings kurzzeitig (u.U. bereits während der Behandlung) Oberbauchschmerzen, Übelkeit und Fieber auf, die sich aber in der Regel durch Gabe von Medikamenten sehr gut behandeln lassen und in der Regel nach 1 bis 2 Tagen wieder abgeklungen sind. Häufig besteht nach der Behandlung noch über mehrere Tage oder Wochen Müdigkeit und verringerter Appetit.
Sehr selten können schwerwiegendere Nebenwirkungen auftreten, z.B. dann, wenn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen Mikrosphären in andere Organe (z.B. den Magen, die Bauchspeicheldrüse, die Lunge) abfließen sollten. Auch kann in seltenen Fällen die Strahlenexposition des normalen Lebergewebes zu einer zeitweiligen oder bleibenden Verschlechterung der Leberfunktion (Strahlenhepatitis) führen.